Vandhalla Egmont Højskolen Odder
besucht im August 2015Erlebnisbericht vom 05. Januar 2016
Die Vandhalla (Deutch: Schwimmhalle) ist ein Sport- und Freizeitbad auf dem Hochschulgelände der Egmont Højskolen in Hou. Hou ist eine kleine Gemeinde der Kleinstadt Odder im Osten des dänischen Festlandes direkt an der Ostsee. Die Egmont Højskolen ist nicht irgendeine Hochschule sondern die größte Hochschule für körperlich behinderte Menschen in Dänemark. Die Hochschule wurde 1956 als reine Behinderten-Schule gegründet. Im Jahr 1970 änderte sich das, sodass auch Schüler ohne Behinderung unterichtet werden konnten. Heute ist Egmont eine Schule für alle, aber mit einer speziellen Verantwortung gegenüber Menschen mit einer Behinderung.
Die Vandhalla ist dabei vornehmlich ein behindertengerechtes Schwimmbad, welches zu bestimmten Zeiten aber auch der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. So wird gleichzeitig ein Teil des Betriebes der Anlage finanziert.
Besucher können auf einem kostenfreien Parkplatz in Eingangsnähe parken, die Vandhalla sowie die Egmont Højskolen ist innerorts gut ausgeschildert und mit dem Auto gut zu erreichen. Eine direkte Autobahnanbindung gibt es allerdings nicht, sodass es von der Autobahn erstmal etliche Kilometer durch die dänische Landschaft geht.
Der Eingang zum Schwimmbad befindet sich direkt im Foyer der Hochschule. Wir hatten einen Termin vor Öffnungszeit, weshalb die Kasse hinter einem Rolladen versteckt war. Hier kann man seinen Eintritt bezahlen und dann durch die Eingangstür zum Badbereich gelangen. Eine Drehkreuzanlage gibt es hier nicht, entsprechend werden auch keine Zeitkarten angeboten. Aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten würde das aber ohnehin keinen Sinn ergeben.
Bereits in den Umkleiden ist alles behindertengerecht gestaltet. Große breite Türen, viel Platz in den Sammelumkleiden und Haltegriffe an den Wänden ermöglichen es auch Rollstuhlfahrern, sich umzuziehen. Natürlich können körperlich behinderte Personen auch von Begleitpersonen unterstützt werden.
Innerhalb der sanitären Einrichtungen sind entsprechend behindertengerecht und für Rollstuhlfahrer geeignet gebaut. Die Kleiderschließfächer hingegen erinnern an herkömmliche Spinde aus bekannten Freizeit- und Erlebnisbädern. Die Fächer werden mit Hilfe des Chiparmbandes elektronisch verriegelt, Pfand in Form von dänischen Münzen wird nicht benötigt.
Der gesamte Schwimmbadbereich ist übergangslos gestaltet und so für Rollstuhlfahrer problemlos befahrbar. Auch in den Duschen haben behinderte Personen ausreichend Platz, um an den offenen Duschplätzen der Körperpflege nachzugehen. Duschgel und Shampoo wird nicht benötigt, in der Vandhalla der Egmont Højskolen gibt es an jedem Duschplatz einen Seifenspender.
In der Egmont Højskolen ist der Schwimmbetrieb für die teils körperlich fitten und teils körperlich behinderten Hochschul-Absolventen gemeinschaftlich organisiert. Die körperlich Fitten sind dabei angehalten, den behinderten Badegästen zu helfen, was laut Schulleiterin erstaunlich gut funktioniert.
Die gesamte Architektur des Bades wurde speziell an die Bedürfnisse von Behinderten angepasst. So ist das Sportbecken über einen langen und immer tiefer werdenden Steg zugänglich. Rollstuhlfahrer können sich eigenständig am Geländer ins Wasser bewegen und dann schließlich ins Wasser einsteigen.
Auch der Einstieg vom Beckenrand ist möglich. Da nicht jeder Rollstuhl die gleiche Höhe besitzt und sich die Räder und Sitzflächen in Höhe und Anordnung teils drastisch unterscheiden, wurde hier ein langer Gang neben dem Sportbecken realisiert. Dieser Fahrweg steigt langsam an und bildet so eine variable Sockelhöhe, bis man schließlich auf einer Ebene mit der Wasserfläche steht. Je nach Beschaffenheit des Rollstuhles kann der geneigte Schwimmer nun anhalten, die Bremsen anziehen und vom Rollstuhl direkt ins Wasser steigen. Für den Ausstieg wird natürlich Hilfe benötigt. Hier stehen dann andere Schüler oder auch elektrische Hilfsmittel wie ein Lifter zur Verfügung.
Das Becken selbst bietet vier 25 Meter lange Schwimmbahnen und - für die körperlich gesunden Badegäste - Startblöcke an jeder Bahn. Eine Sprunganlage gibt es nicht.
In einem Nebenraum steht als zweites Becken ein rundes Warmbecken zur Verfügung. Auch hier führt eine Rampe mit beidseitigem Geländer ins Becken, wodurch ein behindertengerechter Zugang zum Becken möglich ist. Das Becken dient nicht nur als Freizeitbecken sondern wird auch für Schwimm- und Fitnesskurse verwendet. Das Becken verfügt in der Mitte über einen Hubboden mit variabler Wassertiefe und kann so an die Bedürfnisse des jeweiligen Kurses angepasst werden.
In dem selben Raum verbergen sich hinter zwei Türen zwei Wellnesseinrichtungen. Die Textil-Sauna verfügt über einen breiten Innenraum, sodass Rollstuhlfahrer Platz finden und sich nicht auf die Sitzbank quälen müssen. Körperlich nicht oder nur wenig eingeschränkte Personen können natürlich auch auf der Holzbank Platz nehmen.
Direkt nebenan sorgt das Dampfbad mit über 40°C und nahezu 100% Luftfeuchtigkeit für Entspannung pur. Der Raum mit seiner halb gewölbten Decke bietet auch hier im vorderen Bereich Platz für Rollstuhlfahrer. Haltegriffe ermöglichen das Erklimmen der gefliesten Sitzbank. Ein Sternenhimmel sorgt für eine angenehme Stimmung, während man im warmen Dampf die Ruhe genießt.
Einzigartig und ein Highlight der Vandhalla in der Egmont Højskolen ist die erste und derzeit einzige behindertengerechte Röhrenrutsche. Gemeinsam mit der Klarer Freizeitanlagen AG aus der Schweiz setzte man sich zusammen und überlegte, wie man Rutschenspaß für körperlich behinderte Menschen realisieren kann.
Die Röhre ist dabei eine ganz normale Rutsche mit 120cm Durchmesser, wie man sie aus vielen Freizeit- und Erlebnisbädern kennt. Der Verlauf ist nett und führt um den Rutschenturm herum und eine Gerade entlang zum Auslaufbecken. Ein Glasröhrenelement mit Blick aufs Sportbecken und Daylight-Ringe sorgen für ein Abwechslung.
Besonderheit an der Rutsche ist zum einen der Aufzug, der den Rutscher wahlweise gemeinsam mit Rollstuhl nach oben zum Start in 9,10 Metern Höhe bringt. Für körperlich nicht behinderte Personen geht es die Treppe hinauf. Um zu verhindern, dass der Aufzug ständig von nicht eingeschränkten Badegästen genutzt wird, kann der Aufzug nur mit einem speziellen Chiparmband genutzt werden.
Gleiches gilt für den behindertengerechten Einstieg in die Rutsche. Personen können hier zuerst mit einem Lifter aus dem Rollstuhl heraus in den Einstiegsbereich gehoben werden. Anschließend wird der Chip vom Rutscher gescannt, wodurch ein zweiter Wasserzulauf aktiviert wird. Dieser füllt das Landebecken von hinten mit Wasser auf und sorgt für einen sanften Druck von hinten. Der Rutscher wird so regelrecht in die Rutsche gespült - das Abenteuer kann beginnen.
Nach genau 90,30 Metern endet die Rutschpartie im großen Landebereich. Auch hier gibt es eine Besonderheit. Rechts neben dem Röhrenaustritt befindet sich eine Einbuchtung, in die der Rutscher entweder selbständig hinein schwimmen oder von einem Helfer hinein gezogen werden kann. Anschließend kann der Proband per Lifter wieder in seinen Rollstuhl gesetzt werden. Natürlich geht es auch ganz klassisch über eine breite Treppe aus dem Landebecken hinaus.
Zum Abschluss geht es noch einmal auf den Rutschenturm. Diesmal aber nicht um zu rutschen sondern um die Aussicht auf die Ostsee zu genießen. Was für uns selbstverständlich erscheint - schließlich stehen wir auf zwei Beinen und haben das Fenster direkt vor uns - ist für Behinderte nur mit Hürden verbunden. Erst, als der Bau schon begonnen wurde und der Rutschenturm fast fertiggestellt wurde stellte der Architekt (nachdem man ihn in einen Rollstuhl gesetzt hatte) fest, dass der Zugang zur innenliegenden Aussichtsplattform nur über eine Treppe möglich war. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde eine Rollstuhl-Auffahrt auf die nur zwei Treppenstufen höher gelegene Plattform geschaffen.
Man sollte sich also tatsächlich manchmal sprichwörtlich auf Augenhöhe mit körperlich eingeschränkten Personen bewegen um festzustellen, das selbst Kleinigkeiten manchmal unerreichbar sind. Schön, dass es in der Vandhalla der Egmont Højskolen eine Möglichkeit gibt, körperlich behinderten eine Rutschpartie durch eine (nicht ganz) normale Röhrenrutsche zu ermöglichen. Vielleicht macht das Projekt Schule und wird in anderen Bädern ähnlich realisiert.
Fazit
Das Sport- und Freizeitbad Vandhalla Egmont Højskolen Odder ist kein alltägliches Schwimmbad. Hier hat man sich viele Gedanken gemacht, wie man für körperlich Behinderte möglichst unkomplizierten Wasserspaß und sogar Rutschenspaß realisieren kann. Das Konzept geht auf und wird laut Angaben der Schulleiterin sogar von auswärtigen Badegästen gerne angenommen. Neben den beiden Becken sorgen die Textil-Sauna und das Dampfbad für Freizeitspaß und lassen die Behinderung zumindest für einige Momente fast vergessen.
Highlight ist natürlich die Röhrenrutsche, welche nicht durch Schnelligkeit und ein rasantes Layout überzeugt, sondern mit ihrem ungewöhnlichen Einstieg und Auslauf auch für Behinderte geeignet ist. Dass das manchmal mehr Wert sein kann als bunte Effekte, rasante Jumps und schnelle Umschwünge wird spätestens dann klar, wenn man das Lächeln im Gesicht der im Alltag eingeschränkten Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen sieht.
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